01. 09. 2011
BRÜDERLE zu den Ergebnissen der Fraktionsklausur
BERGISCH GLADBACH. Zu den Ergebnissen der Klausur der FDP-Bundestagsfraktion erklärte der Vorsitzende Rainer BRÜDERLE vor Medienvertretern:
Wir haben unsere Klausurtagung abgeschlossen. Wir haben zweieinhalb Tage engagiert diskutiert. Wir haben uns intensiv mit unseren Brot- und Butterthemen beschäftigt: Soziale Marktwirtschaft, Bildung, Bürgerrechte und die Entwicklung Europas. Wir hatten sehr interessante wichtige Gäste. Gerade jetzt ist die Diskussion mit Herrn Fitschen, dem zukünftigen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und Frau Prof. Weder di Mauro vom Sachverständigenrat zu Ende gegangen zu dem wichtigen Eurothema "Entwicklungsperspektive in Europa". Wir haben sie unter das Motto "Freiheitliches Europa" gestellt. Wir sind uns einig, dass wir schärfere Regeln brauchen, nachdem der Stabilitätspakt, wie er bisher war, seine Wirkung nicht entfalten konnte und 68mal gerissen wurde. Ich nenne das einen Stabilitätspakt II.
Wir haben konkret beschlossen, dass die Rechte des Deutschen Bundestages gewahrt werden müssen. Bei allem, was das Haushaltsrecht des Bundes betrifft, hat der Bundestag seine Entscheidungsrechte. Er kann diese delegieren, z. B. auf den Haushaltsausschuss. Das entspricht auch den Wünschen von Herrn Schäuble, dass man noch schnell handeln kann, wenn es notwendig ist.
Wir haben uns mit der Transaktionssteuer beschäftigt. Wir sind der Auffassung, dass es nicht angeht, sie nur auf die Eurozone zu beschränken. In Europa muss London als großes Kraftzentrum in Großbritannien mit einbezogen werden, sonst gäbe es eine Schieflage, die nicht vertretbar ist für Frankfurt oder für andere Standorte, die damit verbunden sind.
Ein anderer Schwerpunkt waren die in der Bensberger Erklärung formulierten zwölf Punkte, um die gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu sichern und fortzuführen. Dazu bedarf es einer Reihe von Maßnahmen, die ich Ihnen gestern näher erklären durfte. Die Tagung fand in großer Geschlossenheit statt. Es ist unser Weg, dass wir leidenschaftlich miteinander diskutieren über den richtigen Weg, die richtigen Ansätze und dann Entscheidungen treffen und sie gemeinsam auch vertreten. Wir sind in Regierungsverantwortung - nicht in irgendeinem Land, sondern in Deutschland, dem größten Land in der Europäischen Union, das eine Schlüsselstellung einnimmt.
Wir sind auch in einer schwierigen Phase unserer Partei gefordert, durch Geradlinigkeit, Geschlossenheit und durch sachliche Kärrnerarbeit und neues Vertrauen zu erschließen und verlorengegangenes zurückzugewinnen. Die Atmosphäre, war gut. Dass man in einer komplizierten Zeit auch unterschiedliche Empfindungen und Einschätzungen hat, ist normal. Wir sind eine Partei der Freiheit, der Liberalität, mit einer Vielfalt auch im Denken und Diskutieren. Aber am Schluss muss auch in der Fraktion die Handlungsfähigkeit stehen, damit die Regierung handlungsfähig ist.
Wir haben noch zwei Jahre vor uns. Es ist Halbzeit. Wir haben alle Chancen, dass die Regierung insgesamt und die Freien Demokraten wieder Vertrauen zurück gewinnen und die nächste Bundestagswahl gemeinsam erfolgreich bestreiten. Unser Ziel ist nicht nur, die Regierungstätigkeit mit Ende der Legislaturperiode zu beenden, sondern in der nächsten Legislaturperiode fortzuführen. Daran arbeiten wir hart. Das ist noch eine kräftige Herausforderung. Manches ist nicht so gelaufen, wie wir wollten, manches ist noch zu tun. Viele Vereinbarungen stehen im Koalitionsvertrag, die der Umsetzung harren. Das werden wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode angehen.
Frage zu Außenminister Westerwelle
Wir haben die Personaldebatte seit gestern beendet und gehen gemeinsam mit unserem Team an die vor uns liegende Arbeit heran.
Frage ob die Fraktion geschlossen hinter Guido Westerwelle steht und welche Rolle er in der FDP spielt.
Erstens: Seine Rolle ist die des Außenministers. Zweitens: Wir haben gemeinsam die Personaldiskussion beendet, der Bundesvorsitzende hat das für uns erklärt. Damit ist diese Debatte für uns abgehakt.
Frage zu Finanztransaktionssteuer
Wir halten sie nur die Eurozone für falsch, weil eine Transaktionssteuer nur für einen Teil Europas ihre Wirkung nicht entfalten kann. Ich kann als Ökonom immer nur schmunzeln, wenn ich lese, dass man den Finanzsektor über eine Transaktionssteuer an finanziellen Folgen der Finanzmarktmisere beteiligt. Das ist nicht so. Es ist genau wie bei der Mehrwertsteuer: Das ist eine Belastung, die am Schluss die Kunden zahlen werden. Der Regelfall ist, dass eine solche Umsatzsteuer natürlich weitergegeben wird. Die Transaktionssteuer ist nichts anderes, als eine Umsatzsteuer auf Finanztransaktionen. Selbstverständlich wird sie bei normaler Marktkonstellation an die Kunden weitergegeben.
Weitere Frage zur Finanztransaktionssteuer
Wir gehen davon aus, dass Großbritannien als großer Finanzplatz im Finanzsektor mit dabei ist. Es darf keine Binnenmarktdiskriminierung von Frankfurt, Paris und anderen Standorten geben, sondern wir müssen das gemeinsam anpacken, europaweit. Das war die Geschäftsgrundlage.
Frage nach höherer Besteuerung von Vermögenden
Wenn Vermögende mehr bezahlen wollen, sind sie herzlich eingeladen, das zu tun. Mir ist noch lieber die Tat, als die öffentliche Ankündigung. Keiner ist verhindert, Herrn Schäuble mehr zu überweisen, als er muss. Und ich finde es eine gute Einstellung, wenn man sagt, ich habe so viel und möchte mehr für andere tun. Man kann das in Form von Stiftungen oder Schenkungen machen oder in Form von freiwilligen Zahlungen an den Bundesfinanzminister. Alle sind herzlich eingeladen. Es sind aber keine Zeiten für generelle Steuererhöhungen. Nach meiner Überzeugung ganz im Gegenteil: Wir müssen die wirtschaftliche Entwicklung auch durch vernünftige Steuerpolitik flankieren. Wir haben Priorität für die Haushaltssanierung. Wir haben die Schuldenbremse aus voller Überzeugung als freie Demokraten mit ins Grundgesetz hineingebracht. Das hat Vorrang. Wir kommen sehr gut voran. Wir wollen den Spielraum nutzen, durch Abbau der kalten Progression, kleinere und mittlere Einkommen an dem Aufschwung in diesem Lande teilhaben zu lassen.
Frage zur Größenordnung der geplanten Steuersenkungsmaßnahmen
Zunächst einmal finde ich es sehr positiv, dass der Koalitionspartner sich ganz klar auch in der Person des Fraktionsvorsitzenden dazu bekennt, mit uns gemeinsam Entlastungen auf den Weg zu bringen. Das ist positiv. Wir haben aber auch gemeinsam vereinbart, dass wir im Oktober, wenn die Zahlen vorliegen, unsere Präzisierung im Volumen vornehmen. Ich halte das für klug. Mit Herrn Kauder verstehe ich mich übrigens bestens. Die Fraktionszusammenarbeit zwischen den drei Fraktionen, ich sehe die CSU als eigene Fraktion, ist exzellent und läuft hervorragend.
Frage nach dem wichtigsten Projekt der Liberalen für den Rest der Legislaturperiode
Das Wichtigste ist, dass wir Europa zum Erfolg verhelfen. Für mich ist Staatsräson, dass Deutschland sich nicht singularisieren darf. Wir brauchen eine europäische Entwicklung, wir brauchen auch den Euro, wir brauchen einen stabilen Euro. Europa ja, aber anders.
Frage nach Mehrheit innerhalb der Koalition beim ESM und EFSF
Ja wir haben eine eigene Mehrheit. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass sich diese Koalition eigenständig bewährt.
Wir sind handlungsfähig und werden auch handeln. Selbstverständlich haben wir noch interessante Diskussionssitzungen, Beratungen in unseren Gremien, aber die Sache ist es wert, mit vollem Einsatz dafür einzutreten.
Der Geist von Bensberg soll uns Liberalen alle erhellen.
Download der gesamten Pressemitteilung im PDF-Format:
811-Bruederle-Ergebnisse_Herbstklausur.pdf (2011-09-01, 151.75 KB)